Wer hierzulande Handel betreibt, wird künftig verpflichtet, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards bei der Beschaffung sicherzustellen. Unter den Anwendungsbereich des sogenannten Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) fallen ab 2023 zunächst Unternehmen ab 3.000 Mitarbeiter:innen im Inland, ab 2024 auch Firmen ab 1.000 Mitarbeiter:innen. Die knapp 6.000 in Deutschland betroffenen Unternehmen müssen in den kommenden Monaten die geplanten gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig, richtig und vollständig umsetzen.

Verpflichtende Einführung eines Risikomanagementsystems 

So müssen sie ein angemessenes und wirksames Risikomanagementsystem für ihre Lieferketten einrichten und in alle maßgeblichen Geschäftsabläufe verankern. Hierdurch soll das Unternehmen erkennen, ob für geschützte Rechtspositionen, zum Beispiel für Leben und Gesundheit der Beschäftigten, gerechte Arbeitsbedingungen sowie das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit ein Risiko besteht. Zum Risikomanagement gehört neben der Risikoanalyse auch die Einführung präventiver Maßnahmen im Unternehmen, wie beispielsweise eine Grundsatzerklärung zu den Sorgfaltspflichten und die Bestellung eines Menschenrechtsbeauftragten ebenso wie Mitarbeiterschulungen.

Dokumentation zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten erforderlich

Weiterhin ist entscheidend, dass die vom Gesetz betroffenen Unternehmen genau dokumentieren, dass sie ihre Sorgfaltspflichten beachten und Mängel beheben. Der Bericht muss spätestens vier Monate nach Vorlage des Geschäftsberichts bei der zuständigen Prüfbehörde, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), eingereicht und veröffentlicht werden. Nach Prüfung durch das BAFA können Unternehmen zu Verbesserungsmaßnahmen verpflichtet werden, sollten die zuvor ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen. Im schlimmsten Fall drohen dem Unternehmen hohe Bußgeldzahlungen.

Gerade für den Einzelhandel mit seinen weltumspannenden, komplexen Liefernetzwerken und einer Vielzahl von Lieferanten, sind die Umsetzung der gesetzlichen Anforderung eine große Herausforderung. Die gesamten Herstellungs- und Lieferprozesse in den internationalen Lieferketten vollständig und permanent zu überwachen, ist für die meisten Unternehmen nicht leistbar. Bis zum direkten Lieferanten können Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen. Auf die davorliegenden Stufen haben sie häufig nur sehr schwer Zugang. Zum Beispiel gibt es ein Hindernis, wenn der direkte Zulieferer seine Vorlieferstufen nicht nennen möchte, wofür es im internationalen Wettbewerb gute Gründe geben kann.

Textilbranche als möglicher Vorreiter bei der Umsetzung des LkSG

Der Einsatz von digitalen Techniken und Blockchain kann Unternehmen bei der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes helfen. Entscheidend dürfte aber sein, dass sich gerade der Handel schon jetzt auf die neuen Vorschriften einstellt und hierfür Vorbereitungen trifft. Denn das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sieht keine Differenzierung hinsichtlich der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Herstellern und Händlern vor.

Im Textilbereich werden deswegen der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie mit einem gemeinsamen Code of Conduct für die Textilbranche sowie mit einem einheitlichen Selbstauskunftsfragebogen zur systematischen Erfassung von Lieferanten nach dem LkSG, ihre Unternehmen bei der Umsetzung und Weitergabe der gesetzlichen Anforderungen in der Wertschöpfungskette unterstützen.

Ein Pilot, der auf weitere Handelsbranchen ausgedehnt werden könnte. Zu den gesetzlichen Vorschriften bezüglich sozialer und ökologischer Nachhaltigkeitsaspekte, arbeiten alle großen Händler in Deutschland an Nachhaltigkeitsinitiativen- unternehmensindividuell wie auch in Sektorinitiativen wie z. B. das Textilbündnis, die Foren für Kakao oder Palmöl oder die amfori Business Social Compliance Initiative.

Das freiwillige Engagement in diesen Multi-Stakeholder-Initiativen kann für Unternehmen hilfreich sein, wenn sie Orientierung und Anleitung beim Aufsetzen eines Risikomanagements benötigen.

Allen betroffenen Unternehmen ist zu raten, nicht abzuwarten, sondern jetzt das Thema anzupacken und loszulegen.

 

Anne Kathrin Göbel ist Abteilungsleiterin CSR beim Handelsverband Deutschland e. V. (HDE).