Die große Bedeutung des Themas Energieeffizienz für den Einzelhandel ist unbestritten. Seit 1990 konnten die CO2-Emissionen im Einzelhandel bereits um 50 Prozent reduziert werden. Damit haben die Händler:innen nicht nur einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz geleistet, sondern auch wirtschaftliche Vorteile durch sinkende Energiekosten erzielt.

Mieterstatus als zentrales Hemmnis für Energieeffizienzmaßnahmen

Die größten Energieeinsparungen können durch umfassende Maßnahmen erreicht werden, indem nicht nur einzelne Anlagen (beispielsweise Kühlgeräte) ausgetauscht werden, sondern das gesamte Gebäude energetisch optimiert wird. Hier haben es mietende Einzelhändler:innen jedoch schwer, da für gebäudebezogene Maßnahmen die Vermieter:innen verantwortlich sind.

Eine Händler:innen-Befragung der Klimaschutzoffensive des Handels aus dem Jahr 2019 hat aufgezeigt, dass der Mieterstatus ein zentrales Hemmnis für die Durchführung von Energieeffizienzmaßnahmen darstellt. Insbesondere in verdichteten, urbanen Räumen ist es die Regel, dass KMU-Händler:innen ihre Geschäftsräume mieten. Ihre Investitionen in Effizienztechnologien sind meist „mobiler“ Art, z.B. LED-Leuchten oder effiziente Kühlgeräte, welche bei einem möglichen Umzug einfach mitgenommen werden können. Damit lassen sich relevante Energieeinsparungen erzielen, ein erhebliches Effizienzpotenzial bleibt jedoch ungenutzt.

Erhebliches Einsparpotenzial bleibt ungenutzt

Dieses sogenannte Mieter-Vermieter-Dilemma entsteht, da die hohen Investitionskosten für energetische Gebäudesanierungen zunächst von der vermietenden Partei alleine getragen werden müssen, ohne dass sich daraus unmittelbare Vorteile ergeben. Denn die verringerten Energiekosten kommen nicht der vermietenden, sondern der mietenden Partei zugute, welche die Heiz- und Stromkosten trägt.

Vor allem für den Wohngebäude-Bereich wird dieses Problem bereits durch einige Projekte und Initiativen adressiert. Da jedoch auch in vermieteten Einzelhandelsgebäuden umfangreiche Energiesparpotenziale liegen, untersucht die Klimaschutzoffensive aktuell im Rahmen der Studie „Energieeffizienzmaßnahmen für Mieter:innen im Einzelhandel“, welche Instrumente Anreize vor allem für Vermieter:innen zur Durchführung energetischer Sanierungen bieten können. Die Bandbreite potenzieller Instrumente ist relativ groß. Beispielhaft sollen im Folgenden zwei Ansätze näher vorgestellt werden.

Energiespar-Contracting als Lösungsinstrument

Ein Modell, das in Deutschland bereits in anderen Kontexten recht etabliert ist, ist das Energiespar-Contracting. Hierbei führt ein Energiedienstleister individuell auf ein Gebäude bzw. einen Gebäudekomplex zugeschnittene Energieeffizienzmaßnahmen durch, um eine vertraglich festgelegte Energieeinsparung zu erzielen. Der Dienstleister ist für Planung, Finanzierung, Bau und Überwachung der Maßnahmen verantwortlich, sodass die Gebäudeeigentümer:innen kein eigenes Know-how hierfür aufbauen müssen.

Die Vergütung des Dienstleisters erfolgt, indem er innerhalb einer bestimmten Vertragslaufzeit (z.B. 15 Jahre) einen Teil der Einsparungen erhält und somit seinen Aufwand refinanziert. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit können die Gebäudeeigentümer:innen (bzw. Mieter:innen) vollumfänglich von den Einsparungen profitieren. Die großen Vorteile von Contracting-Modellen liegen darin, dass die Gebäudeeigner:innen sowohl bei der organisatorischen als auch finanziellen Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen entlastet werden.

Allerdings können die Transaktionskosten für die Vertragsgestaltung recht hoch ausfallen. Die Anwendung von Contracting-Modellen auf kleinere Projekte kann daher unattraktiv sein. Die Bündelung von verschiedenen Objekten zu einem Gebäudepool kann eine Möglichkeit darstellen, Contracting-Modelle auch auf kleinere Gebäudeeinheiten anzuwenden.

Das Referenztemperatur-Modell bietet Anreize für Mieter und Vermieter

Ein weiterer interessanter Ansatz ist das sogenannte Referenztemperatur-Modell[1]. Ausgangspunkt des Referenztemperatur-Modells ist der schwedische Warmmietenmarkt. Dadurch dass Vermieter:innen hier die Heiz- und Warmwasserkosten im Rahmen der vertraglich vereinbarten Miete übernehmen, kann das Mieter-Vermieter-Dilemma weitgehend aufgelöst werden.

So ist es in Schweden seit dem Jahr 2000 gelungen, die CO2-Emissionen im Gebäudesektor erheblich zu senken: im Bereich der privaten Haushalte um 95 Prozent und im Bereich Gewerbe, Handel und Dienstleistungen um 70 Prozent. Eine unmittelbare Übertragung dieses Systems auf den deutschen Kontext ist jedoch nicht mit der EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) vereinbar, da diese eine individuelle Verbrauchserfassung und -abrechnung vorsieht.

Eine Alternative könnte das Referenztemperatur-Modell sein. Im Rahmen dieses Modells einigen sich die mietende und vermietende Partei innerhalb des Mietvertrags auf eine Referenztemperatur, die die Vermieter:innen für die Wohnung (bzw. die Gewerbeeinheit) gewährleisten. Sie übernehmen somit sämtliche Kosten, um die Wohnung auf diese Temperatur zu bringen.

Wenn die Mieter:innen ihre Wohnung auf eine höhere Temperatur heizen, muss eine Ausgleichszahlung an die Vermieter:innen geleistet werden, um die zusätzlichen Heizkosten zu kompensieren. Umgekehrt erhalten sie eine Zahlung von den Vermieter:innen, wenn ihre Wohnung unter der Referenztemperatur bleibt und dadurch geringere Heizkosten anfallen. Somit haben die Vermieter:innen einen großen Anreiz, die Referenztemperatur möglichst kostengünstig und klimafreundlich zu erreichen und gleichzeitig profitieren die Mieter:innen von einem sparsamen Heizverhalten.

Vereinbarkeit mit EU-Energieeffizienzrichtlinie prüfen

Bislang wird dieses Modell in Deutschland nicht angewendet; es handelt sich um eine durch die Kanzlei Becker Büttner Held vorgeprüfte Modellskizze[2]. Bezüglich der praktischen Umsetzung kommt die Kanzlei zu dem Ergebnis, dass das Modell grundsätzlich mit den Vorgaben der EED vereinbar sein könnte. Es muss jedoch weiter konkretisiert werden, um die Vereinbarkeit mit der EED abschließend beurteilen zu können. 

Hinsichtlich der Übertragbarkeit auf den Einzelhandel erscheint das Modell für den Non Food-Bereich etwas besser geeignet, da hier die Temperaturen innerhalb eines Geschäfts weniger variieren als im Food-Bereich. Für den Food-Bereich könnte es eine Möglichkeit sein, unterschiedliche Referenztemperaturen innerhalb einer Gewerbeeinheit festzulegen, um die Verkaufsflächen der gekühlten und tiefgekühlten Produkte adäquat in das Modell einzubeziehen.

Praxistauglichkeit der verschiedenen Modelle muss geprüft werden

Diese zwei Beispiele zeigen, dass es durchaus Ansätze gibt, das Mieter-Vermieter-Dilemma zu adressieren und dadurch weitere Effizienzpotenziale in vermieteten Handelsgebäuden zu erschließen. Von zentraler Bedeutung ist es nun, die identifizierten Modelle auf ihre Praxistauglichkeit und Akzeptanzpotenziale zu überprüfen.

Dies erfolgt im Rahmen unserer Studie durch Experteninterviews und eine groß angelegte Befragung von Einzelhändler:innen und Vermieter:innen. Darauf aufbauend sollen die vielversprechendsten Ansätze im nächsten Jahr im Rahmen eines Pilotprojekts in der Praxis erprobt werden.

 

Quellenangaben

[1] Skizziert in: Castellazzi, Luca; Bertoldi, Paolo; Economidou, Marina (2017): Overcoming the split incentive barrier in the building sector. Unlocking the energy efficiency potential in the rental & multifamily sectors. Hg. v. Publications Office of the European Union. European Commission. Luxembourg.

[2] Becker Büttner Held (2020): Vereinbarkeit des “Referenztemperatur-Modells“ mit den Vorgaben der EED. Hg. v. Agora Energiewende.