Der Energiebedarf der Kältetechnik überwiegt im Lebensmittelhandel anteilig alle anderen Energiebedarfe des Filialbetriebs. Schon jetzt werden gekühlte Waren auf durchschnittlich 21 Prozent der Verkaufsfläche im Lebensmittelhandel angeboten. Bei der Aufteilung der Kühlflächen fallen 50 Prozent auf die Pluskühlung, 32 Prozent auf die Minuskühlung und 18 Prozent auf Bedienungstheken zurück.

Für die Zukunft rechnen nahezu alle im Rahmen der EHI-Studie Kältetechnik im Lebensmittelhandel befragten Unternehmen mit der Ausweitung gekühlter Sortimente über alle Segmente und Warengruppen hinweg. Als herausragenden Wachstumstreiber sehen sie unverändert eine zunehmende Sortimentsvielfalt.

Bezug, Installation und Betrieb kältetechnischer Anlagen sehr kapitalintensiv

Die Verfügbarkeit gekühlter Produkte ist für Verbraucher:innen eine Selbstverständlichkeit. Der Energieverbrauch bzw. der ökologische Fußabdruck der Kältetechnik ist dabei selten Thema in öffentlichen Debatten. Das liegt daran, dass kältetechnische Zusammenhänge sehr komplex sind, mit denen sich meist Spezialist:innen befassen. Der Bezug, die Installation und der Betrieb kältetechnischer Anlagen ist sehr kapitalintensiv. Nachhaltige Investitionsentscheidungen sind in diesem Bereich daher von besonders großer Bedeutung. Um die Warenkühlung jederzeit funktionsfähig und möglichst krisenresistent betreiben zu können, sind hohe Investitionen erforderlich.

Die jährlichen Investitionen in Kältetechnik bewegen sich je nach Unternehmensgröße zwischen 6 und 55 Millionen Euro. Die in einem Lebensmittelmarkt verbaute Kältetechnik macht durchschnittlich 40 Prozent an den gesamten Einrichtungskosten aus und verursacht durchschnittlich 48 Prozent des Stromverbrauches, der für den Betrieb eines Marktes anfällt.

Vor dem Hintergrund der Klimakrise besteht eine hohe Investitionsbereitschaft in zukunftsfähige Energiekonzepte. Immer wichtiger werden wirtschaftlich realisierbare, nachhaltige und technisch umsetzbare Lösungen, mit denen sich der Handel von fossilen Energieträgern unabhängiger macht. Zukunftsfähige Energiekonzepte, die besonders forciert werden, sind insbesondere der Photovoltaik-Ausbau und die Nutzung der Wärmepumpentechnik für die Marktbeheizung. Auch der Ausbau integrierter Kältesysteme wird von einigen Händlern als Standard etabliert.

Kältetechnik verursacht 48 % des Stromverbrauches im LEH

Der Online-Handel mit Lebensmitteln hat durch die Corona-Krise einen Schub erfahren, der neue Anforderungen an die Logistik bzw. Warenkühlung und das Kühlkettenmanagement stellt.

Die Relevanz des klassischen stationären Geschäftes überwiegt derzeit noch deutlich.

Zukünftige Herausforderungen liegen insbesondere:

  • in der ständigen Planung und Überprüfung des strategischen Beitrags der gekühlten Sortimente zur Schaffung von Einkaufserlebnissen am POS
  • in einer Komplexitätsreduktion durch Automatisierung bzw. Digitalisierung
  • in der Sicherstellung einer nachhaltigen Errichtung, sowie dem nachhaltigen Betrieb der Anlagen unter Einbindung in ein ganzheitliches Gebäudekonzept mit dem perspektivischen Ziel der Klimaneutralität
  • in der Entwicklung einer zukünftig krisensicheren Warenkühlung insbesondere vor dem Hintergrund der Klimafolgenanpassung sowie
  • in der Sicherstellung der Verfügbarkeit von qualifizierten und innovativen Technikpartnern bzw. Fachkräften, die in der Lage sind, Handelsunternehmen bei diesen technischen Herausforderungen langfristig zu begleiten.

Um die genannten Herausforderungen zu meistern, müssen Investitionsentscheidungen getroffen werden, bei denen Nachhaltigkeit im Sinne der Klimaziele und eine langfristige Wirtschaftlichkeit gleichermaßen gegeben sind. Um dies zu beurteilen sind Lebenszyklusbetrachtungen erforderlich, die den wirtschaftlichen Erfolg der Investitionen in einer langfristigen Perspektive untersuchen.

 

Diesen Gastbeitrag verfasste Benjamin Chini, Projektleiter des Forschungsbereichs Energiemanagement beim EHI Retail Institute in Köln.